„Selbstbestimmung und Betreuung???“          

Unser Statement

queerhandicap macht sichtbar, hörbar, fühlbar und Mut!

Wir empfehlen Dir Szene-Tipps, Gruppen und Angebote. Viel Spaß beim Stöbern und Ausprobieren! Verein und Ansprechpersonen vor Ort sind gerne für Dich da. Finde Deinen eigenen Weg - wenn Du magst mit uns an Deiner Seite!
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Szene-Tour

queerhandicap e.V. setzt sich ein für eine queere Szene für Alle!


Unsere Szene-Tipps benennen Orte, die uns als mehr oder weniger barrierefrei aufgefallen sind.

Gruppen

Queere Menschen mit Behinderung, Beeinträchtigung, chronischer Erkrankung starten in Stadt und Land eigene Gruppen und Initiativen.

Du suchst was in Deiner Nähe? Ob Treffen oder andere Aktivitäten: Vielleicht wirst Du hier fündig.

Beratung

Du suchst Rat & Hilfe? Finde jemand zum Reden oder ein Buch zum Thema. Lade uns ein zum Dialog vor Ort.

Links verweisen zu weiteren Angeboten für queere Menschen mit Behinderung, Beeinträchtigung, chronischer Erkrankung.

Gemeinsam aktiv!

Mit uns Flagge zeigen für queere Menschen mit Behinderung, Beeinträchtigung, chronischer Erkrankung - mach mit!

Was sagen andere über uns?

LSBTIQ* mit Behinderung bekennen Farbe - jedoch nicht nur sie:

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„queerhandicap leistet einen wertvollen Beitrag zu mehr Sichtbarkeit und zur Vernetzung von Zusammenhängen, die oft meilenweit voneinander entfernt erscheinen. Damit schaffen Sie eine wichtige Voraussetzung dafür, Mehrfachdiskriminierung zu thematisieren und ihr gemeinsam entgegenzuwirken.“

Volker Beck - Bündnis 90 / Die Grünen, Oktober 2008

Neueste Nachrichten

„Endlich sichtbar in einer Behindertenwerkstatt!“

Infostand queerhandicap e.V.

Queerer Infostand beim Tag der offenen Tür

Erst beim CSD Wilhelmshaven am 03.06.2023, dann beim CSD Oldenburg am 17.06.2023: Michael Kamphus aus Holtgast/Ostfriesland zeigt Flagge für queerhandicap e.V. Er macht sich stark für queere Menschen mit Behinderung, Beeinträchtigung, chronischer Erkrankung. Er macht auf deren spezifische Bedarfe aufmerksam. Er geht mit Interessierten ins Gespräch und weist sie hin, worauf es ankommt.

Am Samstag, 12.08.2023, findet in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung Aurich/Wittmund in Burhafe (Ostfriesland) ein Tag der offenen Tür statt. Hier organisiert Michael einen Infostand. Unterstützt wird er vor Ort von Tara von der Kölner Gruppe RAR – Richtig am Rand.

Michael Kamphus berichtet:

„Ein queerer Infostand in einer Behindertenwerkstatt.
Dieses ist ein echtes Statement und ist noch nie dagewesen.“

Tara und Michael zeigen sich gemeinsam tief bewegt:

„Ein echtes Statement wurde gesetzt – endlich sichtbar in einer Behindertenwerkstatt!“

Viele tolle Gespräche und Informationen werden ausgetauscht.
Viele Rückmeldungen bestärken Tara und Michael. Es sei dringend notwendig, in Behindertenwerkstätten queere Themen, Sexualität, Sexuelle Identitäten anzugehen.

Michael wagt einen Blick in die Zukunft:

„Der Weg ist noch sehr weit, dieses war ein erster Anfang.
Wir machen weiter und hoffen das dies Schule machen wird.“

Offen und frei in Karlsruhe!

Talkrunde CSD Karlsruhe 2023

Bühnentalk CSD Karlsruhe am 03.06.2023

Peter Hölscher aus Düsseldorf richtet einen bewegenden Appell an das Publikum auf dem Marktplatz:

„Ich will, dass auch queere Menschen mit Beeinträchtigungen offen und frei zu sich stehen können. Barrieren im Kopf, in der Szene und im Netz müssen fallen. Bitte leistet Euren Beitrag!“

Nicolas Bellm aus Heidelberg berichtet von Tücken bei der Partnersuche, von Zurückweisungen aufgrund seiner Behinderung bei Parties:

„Was willst Du denn hier?!“

Peter und Nicolas bewegen sich beide im Rollstuhl, per mobiler Rampe haben sie es am 03.06.2023 auf die Talkbühne des CSD Karlsruhe geschafft. Beide engagieren sich bei queerhandicap e.V. gegen Barrieren, für mehr Miteinander.

Wer abweicht von der Norm kämpft in der Familie, in der Liebe, beim Sex mit Vorurteilen. Davon erzählen auch andere Teilnehmende beim Bühnentalk, ob poly- oder bisexuell, ob asexuell oder aromantisch. Was sie eint ist der Mut, sich mit ihrem Anliegen auf die Bühne zu wagen und für sich einzustehen, passend zum Motto des CSD Karlsruhe 2023:

„STAND UP. FOR LOVE.“

 

Wir fordern echte Selbstbestimmung statt neuer Hürden!

Stempel mit Aufschrift Selbstbestimmungs-Gesetz

Die Bundesregierung will mit einem Selbstbestimmungs-Gesetz (kurz: SBGG) die Rechte von trans*, inter* und nicht-binären Personen stärken. Geschlechtliche Selbstbestimmung soll gefördert, Hürden sollen gesenkt werden. Im Mai 2023 wurde der Entwurf für ein Selbstbestimmungs-Gesetz veröffentlicht.

queerhandicap e.V. hat den Entwurf gesichtet, wichtige Punkte aus unserer Sicht herausgeabeitet und formuliert jetzt Forderungen:

Unser Statement zum Selbstbestimmungsgesetz

Seit Veröffentlichung des Referent*innenentwurfs zum Selbstbestimmungs-Gesetz (SBGG) gibt es von queeren Verbänden viel Kritik an den Einschränkungen, die der Gesetzesentwurf weiterhin vorsieht. Bisher wenig Beachtung finden die Regelungen, die Menschen mit Beeinträchtigungen betreffen und ihnen ihre vollständige Selbstbestimmung absprechen. Wenn § 3 Abs. 3 SBGG in seiner jetzigen Form bestehen bleibt, kann besonders Menschen mit Betreuungsbedarf eine eigene Stimme vorenthalten werden.

Statt Barrieren abzubauen werden wieder neue Hürden aufgebaut!

Problematisch sehen wir, dass Menschen mit Betreuungsbedarf gemäß § 3 Abs 3 SBGG als hilfsbedürftig und unmündig angesehen werden. Genau wie bei minderjährigen Kindern und Jugendlichen wird ihnen die Selbstbestimmung massiv erschwert.

„Man kann beim Lesen das Gefühl bekommen, dass dieses Gesetz nicht für Menschen mit trans* Hintergrund geschrieben ist – sondern für diejenigen, die Angst vor unserer Selbstbestimmung haben,“

so die Schlussfolgerung von Josephine Vetter (Dipl. Verwaltungswirtin & Psychologin), Vereinsmitglied von queerhandicap e.V.

„Betreuer*innen und gesetzliche Vormunde sollen Menschen, denen die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nicht klar sind, vor schwerwiegenden Fehlentscheidungen schützen. Das macht Sinn, wenn Menschen z.B. wegen ihrer Beeinträchtigung leicht beeinflussbar sind und darum ihr ganzes Erbe verschenken. Bei der geschlechtlichen Selbstbestimmung, besonders bei der Personenstands- und Vornamensänderung, ist ein solcher Schutz weder nötig noch angebracht.“

Der Weg über Betreuungs-Personen könne eine massive Hürde darstellen, besonders, wenn es diesen Betreuer*innen an Wissen über trans* Themen fehle – oder sie sogar transfeindlich eingestellt seien.

Schon heute vertritt eine gesetzliche Betreuung, welche durch Gerichtsbeschluss berufen wurde, ihre Schützlinge und kann auf Grund von § 1821 BGB auch die Erklärung nach § 2 SBGG abgegeben. Fraglich ist dabei noch, in welchen der verschiedenen Aufgabenbereiche der Betreuung die Erklärung fällt.

Diese Verantwortung z.B. im Rahmen der gesundheitlichen Vertretung anzusiedeln, kommt einer erneuten (Psycho-)Pathologisierung von trans- und intergeschlechtlichen Menschen gleich, mit der das SBGG eigentlich Schluss machen sollte. Wurde diese Regelung in den Gesetzesentwurf aufgenommen, um eine reine Vertretung gegenüber Behörden zur Abgabe einer Willenserklärung zu ermöglichen, bedürfte es unserer Ansicht nach keiner weiteren Erwähnung im SBGG. Diese Form der Vertretung gegenüber Behörden ist über das Bürgerliche Gesetz-Buch (kurz: BGB) bereits geregelt.

Gesetzliche Betreuung – Chance oder Risiko?

Laut § 3 Abs. 3 Satz 1 SBGG kann eine gesetzliche Betreuung allerdings auch bestellt werden, um NUR „in dieser Angelegenheit“, also der Geschlechtseintrags- und Vornamensänderung, tätig zu werden.

Ulla Kenntner, Vorständin von queerhandicap e.V., sieht darin Potential für Missbrauch:

„Fremdbestimmung ist für Menschen mit Behinderung an vielen Stellen auch jetzt schon an der Tagesordnung. Müssen wir uns darauf einstellen, dass in Zukunft auch ein Coming Out als trans* als Ausrede genutzt werden kann, uns für nicht zurechnungsfähig und selbstständig handlungsfähig zu erklären?“

Der im Gesetzestext enthaltene Hinweis, dass im Fall der Nichtwahrnehmung der Erklärungsabgabe durch die gesetzliche Betreuung das Familiengericht eingeschaltet werden kann, mag an dieser Stelle löblich erscheinen, ergibt sich jedoch aus den Verpflichtungen und der Aufsicht durch das Gericht selbst und aus den gesetzlichen Vorschriften zu den Betreuungsregelungen des BGB und des Betreuungsrechtes. Er stellt also keinen erst durch das SBGG eingerichteten Schutz von Menschen mit Betreuungsbedarfen dar – sondern eine Möglichkeit, die ihnen ohnehin offensteht, aber mit vielen Hürden verbunden ist.

Die Erwähnung von § 1825 BGB – Einwilligungsvorbehalt – im ersten Satz von § 3 Abs. 3 hinterlässt die Frage, ob es nach Ansicht der Gesetzgeber*innen dieser hohen Hürde bedarf, wenn eine Person mit kognitiver und/oder psychischer Beeinträchtigung ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen will, um eine Gefahrenabwehr zu ermöglichen. Damit unterstützt der Gesetzestext in seiner jetzigen Form die Annahme, Menschen würden sich ohne gesetzliche Hürden unüberlegt zu Transitionsschritten entschließen, die für sie schädlich und irreversibel sind. Diese Idee steht im Widerspruch zu den Erfahrungen aus dem Selbsthilfe- und Beratungskontext, die zeigen, dass einer Transition in der Regel lange Überlegungen vorausgehen.

Der Blick in Länder, in denen geschlechtliche Selbstbestimmung stärker gesetzlich verankert ist (Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Island, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, die Schweiz, Uruguay), zeigt keinen signifikanten Anstieg z.B. von wiederholten Personenstandsänderungen, die in einigen Fällen vielleicht als Hinweis für später bereute, unüberlegte Entscheidungen gedeutet werden könnten. Hier werden also negative Auswirkungen der Selbstbestimmung an den Haaren herbeigezogen. 

Medizinische Maßnahmen nicht im Gesetz geregelt

Im Gegensatz dazu haben tatsächlich mögliche Konsequenzen, die füdie Menschen viel wahrscheinlicher eintreten können, gar keinen Einzug in den Gesetzesentwurf gefunden. Insbesondere sehen wir Probleme auf viele Menschen mit Beeinträchtigungen zukommen, die ihr Recht auf Selbstbestimmung auch in Bezug auf medizinische Maßnahmen wahrnehmen (wollen). Alle medizinischen Maßnahmen, die früher im Transsexuellengesetz (kurz: TSG) eine Rolle spielten, werden mit Abschaffung des TSG gesetzlich nicht mehr geregelt. Es werden nun nicht nur die Zwangsregelungen abgeschafft, sondern auch das Recht darauf, diese Maßnahmen zur Angleichung an das eigene Geschlecht wahrnehmen und einklagen zu können.

Fehlender Schutz vor Diskriminierung aufgrund tradierten Sehens

Zusätzlich fürchten wir, dass der Ausschluss nach § 1 Abs. 2 SBGG –

Medizinische Maßnahmen werden in diesem Gesetz nicht geregelt

– von medizinischen und pflegerischen Einrichtungen, Wohn- und Werkstätten dafür genutzt werden kann, ihre Arbeit weiterhin nur an den sichtbaren Körper- und Fortpflanzungsorganen (Sexus) zu orientieren, da sich mit „medizinischen Maßnahmen“ gut argumentieren lässt. Dies bedeutet, dass auf diese Weise das Recht auf Selbstbestimmung der einzelnen Person durch eine Fremdbestimmung zu Gunsten von cisgeschlechtlicher Sichtweise und „einfacherer“ Handhabung im Alltag ersetzt wird.

Auch hier sehen wir Parallelen zu Kindern und Jugendlichen, bei denen Themen, wie Umkleiden, Toiletten, Zimmerverteilung bei Klassenfahrten usw. weiterhin vom Wohlwollen der Schulen, Lehrenden und Schulämtern abhängig sind. Im SBGG finden sich hierzu keine rechtssicheren Aussagen. Somit bleibt weiterhin die Frage offen: Wer entscheidet im Fall von Zimmerbelegungen in Wohngemeinschaften, bei Pflegebedarf und Einsatz von Pflegekräften, Bädernutzung oder im Falle einer Krankenhauseinweisung, welchem Geschlecht eine solche Person zugeordnet wird? Das dadurch entstehende Diskriminierungspotential durch Fremdbestimmung anhand des Sexus sehen wir als immens hoch an.

 

Unsere Forderungen sind daher:

    • Streichung von § 3 Abs. 3 SBGG,
    • Aufnahme von Regelungen zur Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen,
    • Aufnahme von verpflichteten Regelungen für medizinische/pflegerische Einrichtungen, integrativer Schulen, Wohn-, Ausbildung- und Werkstätten, dass diese die Selbstbestimmung anerkennen, fördern, Fremdbestimmung abschaffen und Diskriminierung nachgehen müssen,
    • die Einrichtung von Beratungsstellen und -Angeboten für alle Altersgruppen sowie besonderer Spezialisierung auf Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen.