Queerer Neujahrsempfang 2024 QNN
Am Freitag, 09.02.2024 besuchte Michael Kamphus, Beauftragter für Werkstätten für behinderte Menschen und Mitglied des Vorstands, den Queeren Neujahrsempfang des QNN (Queeres Netzwerk Niedersachsen) in Hannover.
Besondere Bedeutung für uns hatte der Austausch mit Katrin Langensiepen, Mitglied des Europaparlaments, die ebenfalls vor Ort war. Als einzige weibliche Europaabgeordnete mit sichtbarer Behinderung engagiert sie sich für Rechte von Menschen mit Behinderung und für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der Europäischen Union. Unsere Ziele überschneiden sich daher mit ihren Zielen.
Der niedersächsische Sozialminister Dr. Andreas Philippi hielt ein Grußwort und verlieh die Goldmarie 2024, den queeren Preis für Fleiß. Anke Hieronymus vom CSD Wilhelmshaven und Frauke Weyhausen vom Checkpoint Queer Lüneburg wurden dieses Jahr für ihr ehrenamtliches Engagement im queeren Bereich geehrt.
Nie wieder ist jetzt!
Wir verfolgen mit großer Sorge die jüngsten Enthüllungen zum sogenannten Potsdamer Geheimtreffen und den dort bekannt gewordenen Deportationsplänen, wie sie durch die „Correctiv“-Recherche aufgedeckt wurden. Diese Entwicklungen betreffen nicht nur die Grundprinzipien der Demokratie, sondern werfen auch einen bedrohlichen Schatten auf die Rechte und Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger.
Insbesondere als queerhandicap e.V., eine Organisation, die sich für die Rechte von queeren Menschen mit Behinderung einsetzt, erkennen wir die potenzielle Gefahr, die von extremistischen Ideologien ausgeht. Historisch gesehen wurden queere Menschen mit Behinderung unter totalitären Regimen besonders diskriminiert, verfolgt und ermordet. Diese Bedrohungen dürfen nicht unterschätzt werden, und es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Gesellschaft und ihre Institutionen konsequent gegen jegliche Form von Extremismus vorgehen.
Während der dunklen Ära des Nationalsozialismus wurden nicht nur queere Menschen allgemein verfolgt, sondern auch Menschen mit Behinderung fielen einer systematischen Vernichtungspolitik zum Opfer. Die „Aktion T4“ führte zur Ermordung Tausender Menschen mit körperlichen, psychischen, sozialen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen, die als „lebensunwert“ eingestuft wurden.
Das vergangene Wochenende, geprägt von landesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, zeigte eindrucksvoll, dass die Zivilgesellschaft entschlossen ist, für Demokratie und Toleranz einzutreten. Hunderttausende Menschen gingen bundesweit auf die Straße, darunter auch viele queere Menschen mit Behinderung, um ein starkes Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.
queerhandicap e.V. schließt sich dem solidarischen Aufruf an, gegen Hass, Diskriminierung, Rassismus, Ableismus und Queerfeindlichkeit gemeinsam einzutreten. Die Demonstrationen waren ein eindrucksvoller Ausdruck der Einigkeit und Entschlossenheit, die Freiheiten und Grundrechte aller Menschen zu schützen.
In dieser Zeit der Unsicherheit betonen wir die Wichtigkeit der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Engagements aller Menschen, um für eine inklusive und demokratische Gesellschaft einzustehen. Wir werden weiterhin daran arbeiten, die Rechte von queeren Menschen mit Behinderung zu schützen und uns gegen jegliche Form von Diskriminierung einzusetzen.
Gemeinsam stehen wir stark gegen Extremismus und für eine Zukunft, in der alle Menschen frei und sicher leben können, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder körperlichen Beeinträchtigung.
Impressionen von STICKS & STONES in Köln
Hier sind einige Impressionen von der queeren Job- und Karrieremesse STICKS & STONES in Köln. Wir haben uns nicht nur sichtbar, sondern auch lautstark präsentiert. Zahlreiche Gespräche und Standpunkte wurden intensiv diskutiert. Unser Motto „Vorhandene Ressourcen nutzen: Fachkräfte in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbMs)“ stieß auf positive Resonanz, löste jedoch gelegentlich auch Verwunderung aus.
Es gibt zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten für Arbeitgeber. Allerdings ist vielen noch nicht bekannt, dass solche Hilfen überhaupt existieren und wo man sie erhalten kann. Budgets für Ausbildung und Arbeit sind Beispiele dafür. Bei Fragen zu diesen Themen konnten Interessierte auf uns zukommen, und auch ihr könnt uns gerne kontaktieren.
Allerdings beschäftigen uns auch viele andere wichtige Themen, wie sexuelle Selbstbestimmung, sexuelle Aufklärung und der Umgang mit sexueller, körperlicher und psychischer Gewalt. Ein großes Thema ist außerdem das Coming-out. Wir verwenden vielfältige Materialien, darunter solche von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), pro familia und der AIDS-Hilfe, um nur einige zu nennen. Einige dieser Materialien sind in leichter Sprache verfügbar, jedoch leider nur wenige in Groß- und Braille-Schrift. Unsere ehrenamtliche Arbeit erfordert großes Engagement, und wir sind auf Unterstützung angewiesen.
queerhandicap e.V. übernimmt Messestand der NV-Versicherungen
„Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Und dies gilt auch für die Gestaltung und den Aufbau unseres alten Messestandes“, erzählt Henning Bernau, ehemaliger Vorstand der NV-Versicherungen aus Neuharlingersiel. Dieser Messestand war viele Jahre lang ein Glanzlicht auf der DKM in Dortmund, der größten Versicherungsmesse in Deutschland. Unabhängig davon, ob der langjährige Vorstand oder der Auszubildende im ersten Lehrjahr beim Aufbau dabei war – beim Thema Messe wurden alle gleich behandelt.
Gleichbehandlung ist auch das zentrale Anliegen des Vereins queerhandicap, der nun stolzer Besitzer des bisherigen Messestands der NV-Versicherungen ist. queerhandicap e.V. setzt sich dafür ein, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und Queer* (kurz = LSBTIQ*) mit Behinderung und chronischen Erkrankungen offen und frei zu sich stehen können. „Unser Verein verleiht diesen Menschen eine eigene Stimme. Dies können wir nur erreichen, wenn wir dies weiterhin öffentlich kundtun“, so Michael Kamphus, Vorstand von queerhandicap.
Die NV-Versicherungen, 1818 in Neuharlingersiel gegründet, sind eine der ältesten Versicherungen in Deutschland. Das NV steht für Neuharlingersieler Versicherungen, mit Neuharlingersiel als ihrem Heimatort in Ostfriesland, der auch 200 Jahre später ihr Firmensitz ist. Als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) stehen ihre Mitglieder im Fokus ihres Handelns – nicht das Erwirtschaften von Gewinnen.
Wir danken den NV-Versicherungen für die großzügige Unterstützung und die nachhaltige Entscheidung, ihren alten Messestand unserem Verein queerhandicap e.V. zu überlassen.
Christopher Street Days
Wir werden sichtbar an folgenden CSDs:
- 20.05.23 Aurich
- 03.06.23 Karlsruhe
- 03.06.23 Wilhelmshaven
- 08.06.23 – 10.06.23 Düsseldorf
- 17.06.23 Oldenburg
- 24.06.23 Bochum
- 07.07.23 – 09.07.23 Köln
- 29.07.23 Stuttgart
- 29.07.23 Duisburg
- 26.08.23 Münster
- 02.09.23 Dortmund
„Endlich sichtbar in einer Behindertenwerkstatt!“
Queerer Infostand beim Tag der offenen Tür
Erst beim CSD Wilhelmshaven am 03.06.2023, dann beim CSD Oldenburg am 17.06.2023: Michael Kamphus aus Holtgast/Ostfriesland zeigt Flagge für queerhandicap e.V. Er macht sich stark für queere Menschen mit Behinderung, Beeinträchtigung, chronischer Erkrankung. Er macht auf deren spezifische Bedarfe aufmerksam. Er geht mit Interessierten ins Gespräch und weist sie hin, worauf es ankommt.
Am Samstag, 12.08.2023, findet in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung Aurich/Wittmund in Burhafe (Ostfriesland) ein Tag der offenen Tür statt. Hier organisiert Michael einen Infostand. Unterstützt wird er vor Ort von Tara von der Kölner Gruppe RAR – Richtig am Rand.
Michael Kamphus berichtet:
„Ein queerer Infostand in einer Behindertenwerkstatt.
Dieses ist ein echtes Statement und ist noch nie dagewesen.“
Tara und Michael zeigen sich gemeinsam tief bewegt:
„Ein echtes Statement wurde gesetzt – endlich sichtbar in einer Behindertenwerkstatt!“
Viele tolle Gespräche und Informationen werden ausgetauscht.
Viele Rückmeldungen bestärken Tara und Michael. Es sei dringend notwendig, in Behindertenwerkstätten queere Themen, Sexualität, Sexuelle Identitäten anzugehen.
Michael wagt einen Blick in die Zukunft:
„Der Weg ist noch sehr weit, dieses war ein erster Anfang.
Wir machen weiter und hoffen das dies Schule machen wird.“
Offen und frei in Karlsruhe!
Bühnentalk CSD Karlsruhe am 03.06.2023
Peter Hölscher aus Düsseldorf richtet einen bewegenden Appell an das Publikum auf dem Marktplatz:
„Ich will, dass auch queere Menschen mit Beeinträchtigungen offen und frei zu sich stehen können. Barrieren im Kopf, in der Szene und im Netz müssen fallen. Bitte leistet Euren Beitrag!“
Nicolas Bellm aus Heidelberg berichtet von Tücken bei der Partnersuche, von Zurückweisungen aufgrund seiner Behinderung bei Parties:
„Was willst Du denn hier?!“
Peter und Nicolas bewegen sich beide im Rollstuhl, per mobiler Rampe haben sie es am 03.06.2023 auf die Talkbühne des CSD Karlsruhe geschafft. Beide engagieren sich bei queerhandicap e.V. gegen Barrieren, für mehr Miteinander.
Wer abweicht von der Norm kämpft in der Familie, in der Liebe, beim Sex mit Vorurteilen. Davon erzählen auch andere Teilnehmende beim Bühnentalk, ob poly- oder bisexuell, ob asexuell oder aromantisch. Was sie eint ist der Mut, sich mit ihrem Anliegen auf die Bühne zu wagen und für sich einzustehen, passend zum Motto des CSD Karlsruhe 2023:
„STAND UP. FOR LOVE.“
Wir fordern echte Selbstbestimmung statt neuer Hürden!
Die Bundesregierung will mit einem Selbstbestimmungs-Gesetz (kurz: SBGG) die Rechte von trans*, inter* und nicht-binären Personen stärken. Geschlechtliche Selbstbestimmung soll gefördert, Hürden sollen gesenkt werden. Im Mai 2023 wurde der Entwurf für ein Selbstbestimmungs-Gesetz veröffentlicht.
queerhandicap e.V. hat den Entwurf gesichtet, wichtige Punkte aus unserer Sicht herausgeabeitet und formuliert jetzt Forderungen:
Unser Statement zum Selbstbestimmungsgesetz
Seit Veröffentlichung des Referent*innenentwurfs zum Selbstbestimmungs-Gesetz (SBGG) gibt es von queeren Verbänden viel Kritik an den Einschränkungen, die der Gesetzesentwurf weiterhin vorsieht. Bisher wenig Beachtung finden die Regelungen, die Menschen mit Beeinträchtigungen betreffen und ihnen ihre vollständige Selbstbestimmung absprechen. Wenn § 3 Abs. 3 SBGG in seiner jetzigen Form bestehen bleibt, kann besonders Menschen mit Betreuungsbedarf eine eigene Stimme vorenthalten werden.
Statt Barrieren abzubauen werden wieder neue Hürden aufgebaut!
Problematisch sehen wir, dass Menschen mit Betreuungsbedarf gemäß § 3 Abs 3 SBGG als hilfsbedürftig und „unmündig“ angesehen werden. Genau wie bei minderjährigen Kindern und Jugendlichen wird ihnen die Selbstbestimmung massiv erschwert.
„Man kann beim Lesen das Gefühl bekommen, dass dieses Gesetz nicht für Menschen mit trans* Hintergrund geschrieben ist – sondern für diejenigen, die Angst vor unserer Selbstbestimmung haben,“
so die Schlussfolgerung von Josephine Vetter (Dipl. Verwaltungswirtin & Psychologin), Vereinsmitglied von queerhandicap e.V.
„Betreuer*innen und gesetzliche Vormunde sollen Menschen, denen die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nicht klar sind, vor schwerwiegenden Fehlentscheidungen schützen. Das macht Sinn, wenn Menschen z.B. wegen ihrer Beeinträchtigung leicht beeinflussbar sind und darum ihr ganzes Erbe verschenken. Bei der geschlechtlichen Selbstbestimmung, besonders bei der Personenstands- und Vornamensänderung, ist ein solcher Schutz weder nötig noch angebracht.“
Der Weg über Betreuungs-Personen könne eine massive Hürde darstellen, besonders, wenn es diesen Betreuer*innen an Wissen über trans* Themen fehle – oder sie sogar transfeindlich eingestellt seien.
Schon heute vertritt eine gesetzliche Betreuung, welche durch Gerichtsbeschluss berufen wurde, ihre Schützlinge und kann auf Grund von § 1821 BGB auch die Erklärung nach § 2 SBGG abgegeben. Fraglich ist dabei noch, in welchen der verschiedenen Aufgabenbereiche der Betreuung die Erklärung fällt.
Diese Verantwortung z.B. im Rahmen der gesundheitlichen Vertretung anzusiedeln, kommt einer erneuten (Psycho-)Pathologisierung von trans- und intergeschlechtlichen Menschen gleich, mit der das SBGG eigentlich Schluss machen sollte. Wurde diese Regelung in den Gesetzesentwurf aufgenommen, um eine reine Vertretung gegenüber Behörden zur Abgabe einer Willenserklärung zu ermöglichen, bedürfte es unserer Ansicht nach keiner weiteren Erwähnung im SBGG. Diese Form der Vertretung gegenüber Behörden ist über das Bürgerliche Gesetz-Buch (kurz: BGB) bereits geregelt.
Gesetzliche Betreuung – Chance oder Risiko?
Laut § 3 Abs. 3 Satz 1 SBGG kann eine gesetzliche Betreuung allerdings auch bestellt werden, um NUR „in dieser Angelegenheit“, also der Geschlechtseintrags- und Vornamensänderung, tätig zu werden.
Ulla Kenntner, Vorständin von queerhandicap e.V., sieht darin Potential für Missbrauch:
„Fremdbestimmung ist für Menschen mit Behinderung an vielen Stellen auch jetzt schon an der Tagesordnung. Müssen wir uns darauf einstellen, dass in Zukunft auch ein Coming Out als trans* als Ausrede genutzt werden kann, uns für nicht zurechnungsfähig und selbstständig handlungsfähig zu erklären?“
Der im Gesetzestext enthaltene Hinweis, dass im Fall der Nichtwahrnehmung der Erklärungsabgabe durch die gesetzliche Betreuung das Familiengericht eingeschaltet werden kann, mag an dieser Stelle löblich erscheinen, ergibt sich jedoch aus den Verpflichtungen und der Aufsicht durch das Gericht selbst und aus den gesetzlichen Vorschriften zu den Betreuungsregelungen des BGB und des Betreuungsrechtes. Er stellt also keinen erst durch das SBGG eingerichteten Schutz von Menschen mit Betreuungsbedarfen dar – sondern eine Möglichkeit, die ihnen ohnehin offensteht, aber mit vielen Hürden verbunden ist.
Die Erwähnung von § 1825 BGB – Einwilligungsvorbehalt – im ersten Satz von § 3 Abs. 3 hinterlässt die Frage, ob es nach Ansicht der Gesetzgeber*innen dieser hohen Hürde bedarf, wenn eine Person mit kognitiver und/oder psychischer Beeinträchtigung ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen will, um eine Gefahrenabwehr zu ermöglichen. Damit unterstützt der Gesetzestext in seiner jetzigen Form die Annahme, Menschen würden sich ohne gesetzliche Hürden unüberlegt zu Transitionsschritten entschließen, die für sie schädlich und irreversibel sind. Diese Idee steht im Widerspruch zu den Erfahrungen aus dem Selbsthilfe- und Beratungskontext, die zeigen, dass einer Transition in der Regel lange Überlegungen vorausgehen.
Der Blick in Länder, in denen geschlechtliche Selbstbestimmung stärker gesetzlich verankert ist (Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Island, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, die Schweiz, Uruguay), zeigt keinen signifikanten Anstieg z.B. von wiederholten Personenstandsänderungen, die in einigen Fällen vielleicht als Hinweis für später bereute, unüberlegte Entscheidungen gedeutet werden könnten. Hier werden also negative Auswirkungen der Selbstbestimmung an den Haaren herbeigezogen.
Medizinische Maßnahmen nicht im Gesetz geregelt
Im Gegensatz dazu haben tatsächlich mögliche Konsequenzen, die für die Menschen viel wahrscheinlicher eintreten können, gar keinen Einzug in den Gesetzesentwurf gefunden. Insbesondere sehen wir Probleme auf viele Menschen mit Beeinträchtigungen zukommen, die ihr Recht auf Selbstbestimmung auch in Bezug auf medizinische Maßnahmen wahrnehmen (wollen). Alle medizinischen Maßnahmen, die früher im Transsexuellengesetz (kurz: TSG) eine Rolle spielten, werden mit Abschaffung des TSG gesetzlich nicht mehr geregelt. Es werden nun nicht nur die Zwangsregelungen abgeschafft, sondern auch das Recht darauf, diese Maßnahmen zur Angleichung an das eigene Geschlecht wahrnehmen und einklagen zu können.
Fehlender Schutz vor Diskriminierung aufgrund tradierten Sehens
Zusätzlich fürchten wir, dass der Ausschluss nach § 1 Abs. 2 SBGG –
„Medizinische Maßnahmen werden in diesem Gesetz nicht geregelt“
– von medizinischen und pflegerischen Einrichtungen, Wohn- und Werkstätten dafür genutzt werden kann, ihre Arbeit weiterhin nur an den sichtbaren Körper- und Fortpflanzungsorganen (Sexus) zu orientieren, da sich mit „medizinischen Maßnahmen“ gut argumentieren lässt. Dies bedeutet, dass auf diese Weise das Recht auf Selbstbestimmung der einzelnen Person durch eine Fremdbestimmung zu Gunsten von cisgeschlechtlicher Sichtweise und „einfacherer“ Handhabung im Alltag ersetzt wird.
Auch hier sehen wir Parallelen zu Kindern und Jugendlichen, bei denen Themen, wie Umkleiden, Toiletten, Zimmerverteilung bei Klassenfahrten usw. weiterhin vom Wohlwollen der Schulen, Lehrenden und Schulämtern abhängig sind. Im SBGG finden sich hierzu keine rechtssicheren Aussagen. Somit bleibt weiterhin die Frage offen: Wer entscheidet im Fall von Zimmerbelegungen in Wohngemeinschaften, bei Pflegebedarf und Einsatz von Pflegekräften, Bädernutzung oder im Falle einer Krankenhauseinweisung, welchem Geschlecht eine solche Person zugeordnet wird? Das dadurch entstehende Diskriminierungspotential durch Fremdbestimmung anhand des Sexus sehen wir als immens hoch an.
Unsere Forderungen sind daher:
-
- Streichung von § 3 Abs. 3 SBGG,
- Aufnahme von Regelungen zur Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen,
- Aufnahme von verpflichteten Regelungen für medizinische/pflegerische Einrichtungen, integrativer Schulen, Wohn-, Ausbildung- und Werkstätten, dass diese die Selbstbestimmung anerkennen, fördern, Fremdbestimmung abschaffen und Diskriminierung nachgehen müssen,
- die Einrichtung von Beratungsstellen und -Angeboten für alle Altersgruppen sowie besonderer Spezialisierung auf Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen.
Forum 2023: „Wir zeigen uns!“
Forum queerhandicap 21.-24.04.2023
queerhandicap e.V. lud vom 21.-24.04.2023 in die barrierefreie Jugendherberge Düsseldorf zum Forum queerhandicap. Unter dem Motto „Wir zeigen uns!“ öffneten sich queere Menschen mit Behinderung, Beeinträchtigung, chronischer Erkrankung sowie interessierte Fachkräfte dem gemeinsamen Dialog. Inklusion und Teilhabe wurden groß geschrieben. Der persönliche selbstbewusste Auftritt als LSBTIAQ* mit Behinderung stand im Fokus von vier Workshops:
- Bedarfe von Aktivist*innen und Mandatsträger*innen von queerhandicap
- Lernen voneinander und miteinander
- Bundesaktionsplan „Queer leben“
- Queerness jetzt und in Zukunft in den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)
Die Mitgliederversammlung von queerhandicap e.V., eingebettet in das Programm und geöffnet für alle Teilnehmenden des Forums, vermittelte Einblicke in Leben und Wirken des bundesweiten Vereins. Ein gemeinsamer abendlicher „Szene-Trip Barrierefrei“ bot Queer-Historie zum Anfassen und schuf Zugänge zu Institutionen des szenebekannten Nachtlebens in Düsseldorf.
Der Besuch der verschiedenen Workshops sowie die Mitgliederversammlung von queerhandicap e.V. bewegten zum intensiven Austausch über Wege, Ressourcen und Grenzen, selbstbewusst nach außen zu treten als queere Menschen mit Beeinträchtigung. Teilnehmende fanden den Mut, eigene Bedarfe und Kompetenzen zu benennen und sich für konkrete Aufgaben, etwa im Rahmen von queerhandicap e.V., zur Verfügung zu stellen.
Forum queerhandicap stärkte das Selbstbewusstsein der Teilnehmenden und verhalf ihnen zu einer klareren Positionierung. Gleichzeitig gab es dem Verein queerhandicap e.V. neue Impulse. Queers mit Behinderung gewannen Zutrauen, sich hier stärker für eigene Belange einzusetzen. Der Vorstand ist bei der Mitgliederversammlung um drei Personen angewachsen, weitere Aktive haben im Verein und darüber hinaus Aufgaben übernommen. Details zur weiteren Mitwirkung im Projekt „NRW LSBTIQ* inklusiv“ und beim Bundesaktionsplan „Queer leben“ wurden verabredet.
Kooperationspartner waren die LAG queerhandicap NRW und die LAG Lesben NRW. Mittelbar beteiligt waren die Netzwerkpartner Queeres Netzwerk NRW e.V., BiNe – Bisexuelles Netzwerk e.V., CSD Deutschland e.V. und LSVD. Das Netzwerk örtlicher Initiativen von LSBTI* mit Behinderung wurde genutzt und weiter vorangebracht.
Besonderer Dank geht an die LAG Lesben NRW für die großzügige Unterstützung aus Projektfördermitteln des Landes Nordrhein-Westfalen!
gefördert durch: